Veranstaltung: | 3. LMV 2021 Bremen |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Laura Reyes Pollak |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.07.2021, 09:51 |
A6: Für eine Gesellschaft der Vielen - gemeinsam gegen Rassismus, Ausgrenzung und Hass
Antragstext
Für eine Gesellschaft der Vielen - gemeinsam gegen Rassismus, Ausgrenzung und
Hass
Der gewaltsame Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd am 25. Mai 2020
durch einen weißen Polizisten hat in vielen Teilen der Welt Proteste gegen
Rassismus auf die Straße gebracht. Auch in Deutschland markiert die Black Lives
Matter Bewegung einen Meilenstein in der Auseinandersetzung mit strukturellem
Rassismus. Während die Corona-Krise die Welt in Atem hielt, trugen die Stimmen
der Protestierenden eine Tatsache nach außen, die seit jeher für nicht-weiße
Menschen tagtäglich spürbar ist: Die meisten Menschen positionieren sich gegen
Rassismus und dennoch bestimmt er weiterhin den Alltag von vielen BI*PoC in
Deutschland. Der Begriff des strukturellen Rassismus bezeichnet explizit
rassistische Strukturen, Handlungs- und Entscheidungsabläufe.
Benachteiligung bei der Ausbildungsplatz-, Arbeits- und Wohnungssuche, bei der
Gesundheitsversorgung und in zahlreichen anderen alltäglichen Situationen sind
für viele Menschen eine oft gemachte und bittere Erfahrung. Dazu kommen
Abwertungen, Ausgrenzung und rassistische Zuschreibungen im öffentlichen
Diskurs. Rassistische Einstellungen werden oft auch von der Mitte der deutschen
Gesellschaft vertreten und struktureller Rassismus ist, wie der Begriff schon
vermuten lässt, in staatlichen Institutionen verankert. Am Ende dieser Kette
stehen die jüngsten rassistisch motivierten und rechtsterroristischen Anschläge
von Halle und Hanau. Denn eins hat sich immer wieder gezeigt, irgendwann wird
aus systematischer Ausgrenzung Hass und aus Hass folgt Gewalt.
Für uns GRÜNE ist deshalb klar:
Das Aufdecken von rassistischen Strukturen und der Kampf gegen Rassismus in
seinen unterschiedlichen Facetten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die
auch in der Verantwortung von Staatlichkeit liegt und die Perspektiven der
Betroffenen im Zentrum haben muss. Nur so können wir unsere plurale Demokratie
stärken und zu einer Gesellschaft der Vielen werden.
Bremen wird von den meisten die hier leben als ein toleranter, bunter und
weltoffener Stadtstaat beschreiben: Institutionen, die Weltoffenheit und
Toleranz als Stärke begreifen, eine Politik, die Diskriminierung und Hürden
abbauen will und eine aktive Zivilgesellschaft, die sich gegen Ungerechtigkeiten
engagiert. Das alles ist Bremen!
Doch als Gesellschaft sind wir nunmal nicht von historisch bedingten
rassistischen Denkmustern gewahrt. Struktureller- und institutioneller Rassismus
sind auch hier ein Thema, bei dem wir uns als politische Akteur*innen
selbstkritisch hinterfragen müssen, damit unsere Institutionen zukünftig in der
Lage sind, Betroffene zu schützen. Dass dies noch nicht hinreichend der Fall
ist, wurde jüngst bei den Ermittlungen zu den Vorfällen sexistischer,
rechtsradikaler, queerfeindlicher und rassistischer Hetze in der Bremer
Feuerwehr und in der aktuellen Debatte um die städtische Wohnungsgesellschaft
BREBAU deutlich.
Um strukturellen Rassismus nachhaltig zu bekämpfen, ist es notwendig, sich
ausführlich und (selbst-)ḱritisch mit der Verteilung von Macht, Ressourcen und
den Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe, sowie mit den von Rassismus
und anderen Menschenfeindlichkeiten intersektional beeinträchtigten
Lebensrealitäten zu beschäftigen. Diese Aufgabe ist weder angenehm noch einfach,
weil es voraussetzt, dass wir uns als Gesellschaft, mit unseren Strukturen und
Institutionen, in einem anstrengenden Prozess selbst hinterfragen- und uns
außerdem nachhaltig verändern müssen. Das braucht Zeit. Unser Ziel aus der
daraus erwachsenden Verantwortung ist klar: Um eine Gesellschaft der Vielen zu
ermöglichen, müssen wir die Erfahrungen und Perspektiven von von Rassismus
betroffene Menschen ernst nehmen, Verantwortung für ihren Schutz übernehmen und
mit der selbstkritischen Brille auf Strukturen schauen, die Schwarze Menschen,
Sinti*zze und Rom*nja und so viele andere nicht-weiße Personengruppen
benachteiligen. Wie gesagt: Um eine rassismusfreie Gesellschaft zu realisieren,
müssen wir die Praktiken aller Institutionen ehrlich und selbstkritisch
hinterfragen. Dieses Hinterfragen muss dann aber auch mit der Bereitschaft
einhergehen, Strukturen zu verändern. Das betrifft die Polizei, das
Gesundheitssystem, Bildungseinrichtungen, die Feuerwehr und vieles, vieles mehr.
Weil wir wissen, dass wir im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes in
besonderer Verantwortung dafür stehen.
Gegen strukturellen Rassismus auf dem Wohnungsmarkt
Auch bei der Wohnungssuche erfahren Menschen aufgrund ihrer (zugeschriebenen)
Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Kultur oder ihrer Sexualität Diskriminierung.
Selten kann diese nachgewiesen werden. Rassistische Diskriminierung am
Wohnungsmarkt ist eine der häufigsten Diskriminierungsformen überhaupt. Oftmals
beginnt diese bereits beim ersten Kontakt mit den potentiellen Vermieter*innen.
Die Email, die nicht beantwortet wird, weil der Nachname des Absenders
„ausländisch“ klingt. Das Telefonat, welches beendet wird, sobald der oder die
Vermieter*in mitbekommt, dass die anrufende Person nicht akzentfrei Deutsch
spricht. Ein Kopftuch, das beim Besichtigungstermin getragen wird.
Am 20. Mai 2021 wurde bekannt, dass Mitarbeiter*innen der BREBAU mutmaßlich von
anderen Vorgesetzten in internen Anweisungen dazu angehalten wurden, bestimmte
Merkmale von Wohnungssuchenden, wie Hautfarbe, Deutschkenntnisse, bestimmte
ethnische Hintergründe, aber auch der momentane Wohnort in ärmeren Stadtteilen,
mit Kürzeln in internen Notizen zu vermerken.
Eine solche strukturell-rassistische Praxis verurteilen wir aufs Schärfste!
Gerade städtische Wohnungsbaugesellschaften sollten überall als Anspruch haben,
insbesondere Menschen, die es auf dem normalen Wohnungsmarkt besonders schwer
haben, in Wohnraum zu vermitteln. Deshalb ist es gut, dass eine lückenlose
Aufklärung durch den externen Sonderermittler Prof. Matthias Stauch bereits
durchgeführt wurde. Die Freistellung der Geschäftsführung und die Einsetzung von
Herrn Staatsrat a. D. Lühr als kommissarische Geschäftsführung waren weitere
wichtige Schritte, um der verantwortungsvollen Position nachzukommen. Es wird
für die Geschäftsführer der BREBAU eine sehr anspruchs- und besonders
verantwortungsvolle Aufgabe sein, glaubhafte Schlussfolgerungen aus dem Stauch-
Bericht für das operative Geschäft der BREBAU zu ziehen. Nach dem Bericht muss
die Praxis der Wohnungsvergabe auch weiterhin bei der BREBAU überprüft,
Aufklärungsarbeit geleistet und eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Menschen
mit Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungssuche geschaffen werden. Nur so
kann das verloren gegangene Vertrauen vieler Bremer*innen und die die es werden
wollen in die BREBAU gestärkt werden.
Auch wenn der Vorgang um die BREBAU für den Moment aufgeklärt wurde, so bleiben
weiterhin die vielen Erlebnisse von Diskriminierung betroffener auf dem
Wohnungsmarkt.
Um diskriminierenden und rassistischen Praktiken auf dem Wohnungsmarkt
vorzubeugen fordern wir deshalb, dass:
- Immobilienunternehmen, Eigentümer*innengemeinschaften und Hausverwaltungen
sich des Themas aktiv annehmen. Der beste Schutz gegen Diskriminierung ist
das aktive Hinterfragen der eigenen Strukturen.
- das “Bündnis für Wohnen Bremen”, das aus öffentlichen und privaten
Akteur*innen besteht, sich mit der Erstellung einer
Selbstverpflichtung/Charta oder einem Compliance-Kodex zu Antirassismus
bzw. Antidiskriminierung in ihrem Geschäftsbetrieb verpflichtet. Dabei ist
die Einbeziehung von Wohnungsverwaltungsgesellschaften und
Makler*innenbüros bzw. deren Fachverbände unerlässlich. Auch wenn die
Unterzeichnung von Leitlinien nur einen „Appellcharakter“ hat, ist es ein
wichtiger Schritt zur freiwilligen Selbstverpflichtung.
- antirassissitische und kulturelle Sensibilisierung für Hausverwalter*innen
und Mitarbeiter*innen in Wohnungsunternehmen - gerade auch auf der Ebene
der mittleren Mitarbeiter*innen - durchgeführt wird. (EineStudie des
Bundes zeigt, zumindest in Fokusgruppen in Berlin und Nürnberg, dass die
Sensibilisierung der mittleren Mitarbeiter*innenebene entscheidend ist, um
Diskriminierung wirklich zu begegnen.)
Dazu gehört auch, die Repräsentation von BI*POC auf der höheren bzw mittleren
Mitarbeiter*innenebene zu fördern. Das bedeutet, Bi*PoC gezielt dort
einzustellen, bzw. beim Bewerber*innen-Auswahlsverfahren zu berücksichtigen und
Diversität zu fördern. Frei nach dem Motto: Bremen ist bunt, die
Geschäftsführung muss es noch werden.
- dass die neu geschaffene Landesantidiskriminierungsstelle von
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Betroffene Menschen unterstützt und
über ihre Rechte aufklärt.
- ein ausgeweiteter “Whistleblower”-Schutz für Betroffene und
Mitarbeiter*innen geschaffen wird, damit es in Zukunft schneller und
leichter möglich ist, verdeckte Strukturen aufzudecken z.B. über ein
Anonymes Meldeportal
- Beratungsstellen und Vereine, die z. B. interkulturelles
Konfliktmanagement trainieren oder Mediation anbieten gestärkt und deren
Angebote ausgebaut werden.
- mehr öffentlich geförderter Wohnungsraum geschaffen wird. Es ist gut und
wichtig, dass Bremen sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf den Weg
gemacht hat und durch die BREBAU und GEWOBA selbst aktiv ist, um
erschwingliche Mieten für mehr Bremer*innen zu ermöglichen.
- das Vorhaben, Heterogenität bezogen auf mehrere Merkmale (sozioökonomische
Ausstattung, Alter, Bildung, ethnischer Hintergrund, Religion) zum
Kriterium der Stadtentwicklung gemacht wird(im Gegensatz zu einer
ökonomisch orientierten Aufwertung einzelner Stadtteile) und transparent
und reflektiert umgesetzt wird. Auch bei diesem stadtplanerischen Prozess
ist es von zentraler Bedeutung BI*PoC, also selbst betroffene Menschen, zu
beteiligen.
Unterstützer*innen
- Sahhanim Görgü-Philipp
- Alexandra Werwath
- Florian Kommer
- Maike-Sophie Mittelstädt
- Franziska Tell
- Kristina Kötterheinrich
- Simon Metzger
- Stina Reichardt
- Sona Terlohr
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