Veranstaltung: | 3. LMV 2021 Bremen |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Queer (dort beschlossen am: 07.07.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.07.2021, 18:43 |
A2: SOLIDARITÄT MIT LSBTIAQ* IN UNGARN, POLEN UND GANZ EUROPA!
Antragstext
Viele polnische Gemeinden, Landkreise oder Provinzen deklarieren seit März 2019
ihr Gebiet als "LGBT-freie Zone" oder auch "LGBT-ideologiefreie Zone“. Den
Anfang machte die Stadt Świdnik in Südostpolen, nachdem die rechtskonservative
Wochenzeitung Gazeta Polska eine entsprechende Kampagne begonnen hatte. Diese
Deklaration hat keine rechtliche Wirkung, sondern dient der ideologischen
Polarisierung, Abgrenzung und Ausgrenzung: Nachdem die Migration für die
regierende PiS-Partei als Feindbild an Wirkung verliert, wird die sogenannte
"LGBT-Ideologie" zum gefährlichen Gegner aufgebaut. Damit soll vor allem das
konservativ-katholische Milieu mobilisiert werden, mit verheerenden
gesellschaftlichen Folgen für queere Personen.
Eine solche Politik wird vermehrt auch in anderen europäischen Ländern, wie
Ungarn, Slowenien und Tschechien, verfolgt: LSBTIAQ* wird zum Feindbild
aufgebaut.
In Ungarn wurde vor kurzem ein Gesetz - nach russischem Vorbild - zur
Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit
verabschiedet.
Einige der zentralen Punkte des Anti- LSBTIAQ*-Gesetzes im Überblick:
- Verbot des Zugangs zu Informationen, wenn dort „Änderungen des Geschlechts
oder Homosexualität vorkommen, popularisiert oder dargestellt werden“.
- Die Vermittlung von Inhalten zur „Popularisierung“ von Homosexualität oder
trans* Identitäten in der Schule ist verboten.
- Bestimmten NGOs ist es ganz verwehrt, Kurse zu sexueller Aufklärung oder
Drogenprävention an Schulen zu halten.
In einem offenen Brief kritisierten Amnesty International und weitere NGOs, dass
das neue Gesetz „den wissenschaftlichen Dialog und die Aufklärungsarbeit über
Homo- und Transsexualität“ unmöglich machen werde. Die Regierung würde mit
diesem Gesetz, „LSBTIAQ*-Jugendliche im Stich lassen“, die proportional häufiger
Mobbing und Diskriminierung erleben, statt diese Jugendlichen zu schützen, wie
es die Verfassung vorschreibe.
Die Zusammenführung von Homosexualität und Repräsentation von trans* Personen
mit dem Vorwurf der Pädophilie reiht sich in die Ideologie, mit der die Fidesz-
Partei und ihr kleinerer Koalitionspartner KDNP (Christlich-demokratische
Volkspartei) seit Jahren die Rechte von sexuellen und geschlechtlichen
Minderheiten einschränken, ein.
Vor gut einem Jahr schon beschloss die Fidesz-KDNP-Mehrheit im Parlament ein
Gesetz, das es unmöglich macht, das Geschlecht, das bei der Geburt
standesamtlich eingetragen wurde, später in offiziellen Dokumenten und
Zeugnissen an die Geschlechtsidentität anzupassen.
Mit Slowenien übernimmt Janez Janša - ein "Möchtegern-Trump", der wenig von
LSBTIAQ*-Gleichbehandlung hält - den Vorsitz im Europäischen Rat. Seit Jahren
kämpft Janša auch gegen LSBTIAQ*-Rechte. So setzte er sich 2015 dafür ein, dass
das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben wieder eingeführt wird – nachdem ein
entsprechender Volksentscheid für die Eheöffnung Erfolg hatte. Der damalige
Oppositionspolitiker Janša gehörte zu den lautstärksten Gegnern der Eheöffnung
und behauptete: "Es ist nicht möglich, eine Zukunft für Slowenien mit
gleichgeschlechtlichen Paaren aufzubauen.“
Der tschechische Präsident Miloš Zeman bezeichnete in einem Fernseh-Interview
trans* Personen als "ekelhaft" und kritisierte den für Anfang August geplanten
CSD in Prag scharf. "Wenn man sich einer geschlechtsverändernden [sic!]
Operation unterzieht, begeht man im Grunde ein Verbrechen der Selbstverletzung",
so Zeman. Außerdem sprach sich der Politiker für "Hetero-Prides" aus: "Wenn ich
etwas jünger wäre, würde ich eine große Demonstration von Heterosexuellen in
Prag organisieren. Es gibt Millionen von uns." Der 76-Jährige zeigte auch
Verständnis für das queerfeindliche "Homo-Propaganda"-Gesetz in Ungarn. Zeman
erklärte, andere Länder sollten sich nicht in die inneren Angelegenheiten
Ungarns einmischen.
Aber auch in Deutschland gibt es solche Kräfte, wie die AfD, die "Demo für Alle"
oder TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminism dt. „trans-ausschließender
radikaler Feminismus“). Diese Kräfte werden immer stärker, der Rollback macht
sich bemerkbar. Queerfeindliche Straftaten nehmen zu. Insgesamt wurden im Jahr
2020 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTIAQ* registriert, darunter
154 Gewalttaten (144 Körperverletzungen). Das ist ein Anstieg von 36% gegenüber
2019. Mindestens drei schwulenfeindlich motivierte Morde sind nicht in die
Statistik eingegangen. Die Dunkelziffer ist riesig.
Wir Grüne kämpfen für eine Gesellschaft, in der Lesben, Schwule, Bisexuelle,
trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen die gleichen Rechte, die
gleichen Freiheiten und die gleiche Anerkennung haben. Wir fordern wirkliche
rechtliche Gleichstellung und Respekt für gleichgeschlechtliche und queere
Familien mit Kindern ("Regenbogenfamilien") und wollen menschenwürdige
Rahmenbedingungen und Selbstbestimmung für trans- und intergeschlechtliche
Menschen. Wir treiben Antidiskriminierungspolitik voran, kämpfen für einen
bundesweiten Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit und zeigen
Regenbogenflagge - sei es in Kiew, Sarajevo, Warschau, Budapest, Prag oder
Istanbul, und auch bei uns in Deutschland und Bremen.
In Bremen haben wir seit 2015 einen Landesaktionsplan gegen Queerfeindlichkeit
und die Bremische Bürgerschaft hat in dieser Legislatur einen bundesweit
einzigartigen Queerpolitischen Beirat gegründet, um diesen effektiver
umzusetzen. Außerdem gibt es Parlamentsbeschlüsse um OPs an
intergeschlechtlichen Kindern und andere medizinische Zwangsmaßnahmen wirksam zu
beenden, sowie Entschädigungen zu ermöglichen. Schwule und trans* Personen
sollen bei der Blutspende nicht mehr diskriminiert werden und Anfang diesen
Jahres wurde ein innenpolitischer Maßnahmenkatalog gegen Hasskriminalität und
Gewalt gegen queere Menschen auf den Weg gebracht.
Viele dieser und weiterer queerpolitischer Maßnahmen betreffen jedoch die
Bundesgesetzgebung und müssen auf Bundesebene geregelt werden. Auch hier sind
die Grünen treibende Kraff: Im Bundestag hat die Grüne Fraktion mehrere
Gesetzesvorlagen zu Regenbogenfamilien und einem modernen Abstammungsrecht, zu
diskriminierungsfreien Blutspenden, zum Entschädigungsfonds für inter- und
transgeschlechtliche Menschen und zu einem umfangreichen
Selbstbestimmungsgesetz, welches das alte zutiefst diskriminierende
"Transsexuellengesetz" ablösen sollte, vorgestellt.
Das Europaparlament hat die Europäische Union zu einer „LGBTIQ Freedom Zone“,
also einem Freiheitsraum für queere Menschen, erklärt. Mit dem eindeutigen
Abstimmungsergebnis stellt das Parlament sich hinter queere Menschen und deren
Rechte. Sie grenzt sich damit auch von den diskriminierenden Gesetzen und
Entscheidungen einzelner Mitgliedsstaaten ab und setzt ein deutliches Zeichen.
Wir haben auf Landes-, Bundes-, und Europäischer Ebene, gezeigt, dass queere
Politik nur mit starken Grünen möglich ist. Ohne uns wird eine rückwärtsgewandte
queerfeindliche Politik gemacht. Für die Rechte queerer Menschen ist ein
Politikwechsel auf Bundesebene notwendig.
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
a) auf Europaebene
Queere Rechte sind Menschenrechte. Wir fordern das Europäische Parlament auf,
sich uneingeschränkt für die Durchsetzung der Menschenrechte insbesondere in
Bezug auf LSBTIAQ* einzusetzen. Aufgrund der jüngst verabschiedeten
queerfeindlichen Gesetze in Ungarn und Polen, sind diese Länder besonders in den
Blick zu nehmen und angemessene Maßnahmen durchzusetzen.
Die fünfte EU-Antidiskriminierungsrichtlinie muss endlich vom EU-Rat
verabschiedet werden: Die EU-Kommission schlägt bereits seit 2008 diese
Antidiskriminierungsrichtlinie vor: LSBTIAQ* werden in vielen europäischen
Ländern weiterhin Rechte vorenthalten, die sie in Deutschland durch das
Allgemeine Gleichstellungsgesetz bereits haben. Trotzdem verhindert vor allem
Deutschland seit Jahren eine Verabschiedung. Deutschland muss im Ministerrat die
fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie unterstützen.
An dieser Stelle möchten wir hervorheben, dass wir die Bemühung des Landes
Bremen im Bundesrat zur Verabschiedung der fünften EU-
Antidiskriminierungsrichtlinie in der Vergangenheit begrüßen und hoffen, dass
das Thema weiterhin durch die Bremer Landesregierung verfolgt wird.
b) auf Bundesebene
Deutschland muss seinen Widerstand im EU-Ministerrat gegen die fünfte EU-
Antidiskriminierungsrichtlinie endlich aufgeben. LSBTIAQ* muss bei zukünftigen
binationalen Treffen als Thema auf der Agenda stehen. Dabei sollte Deutschland
als Vorbild vorangehen und in der eigenen Gesetzgebung die Diskriminierung von
queeren Personen abschaffen. Das muss mit einer Reform des Abstammungsrechts und
des "Transsexuellengesetzes" (TSG) einhergehen.
Die Bundesregierung und der Bundestag sollen die Ausrufung von LSBTIAQ*-freien
Zonen als Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta benennen und dagegen
protestieren! In den betroffenen Ländern dürfen LSBTIAQ*-feindliche Initiativen
und Projekte nicht unterstützt werden. Stattdessen müssen neue Förderprogramme
geschaffen und bestehende Programme mit Fokus auf LSBTIAQ* für Aktivist*innen
und Organisationen, deren Arbeit in ihrem Heimatland bedroht ist, erhalten und
geschützt werden – nach der Strategie „Countering shrinking spaces for LGBTIAQ*
Organisations“, also finanzielle Unterstützung von queeren Vereinen und
Initiativen.
Deutschland soll außerdem länderübergreifende Kulturarbeit und Veranstaltungen
sowie Förderungen zum Thema Akzeptanz von LSBTIAQ* (Austausch, Empowerment,
Antidiskriminierung) zusammen mit Organisationen wie z.B. dem Goethe-Institut
und Parteistiftungen fördern.
c) auf Landesebene
Bremen und Bremerhaven müssen ihre Städtepartnerschaften, insbesondere zu Gdańsk
und Szczecin nutzen, um genau die Initiativen und Projekte zu unterstützen, die
sich für ein vielfältiges und friedliches Miteinander in Polen einsetzen.
Bei zukünftigen Treffen sollen die Rechte von LSBTIAQ* Personen ein Thema sein.
So können sich die offiziellen Delegationen mit queeren Personen und Initiativen
in betroffenen Ländern austauschen. Mit polnischen Delegationen können LSBTIAQ*-
Organisationen in Bremen und Bremerhaven besucht werden und die Entwicklung der
Rechte von LSBTIAQ* in Deutschland in das Austauschprogramm einfließen.
Die gemeinsame Teilnahme von Bürgermeister*innen und parlamentarischen
Abgeordneten aus Bremen, Deutschland und Polen an Pride Demonstrationen (CSD)
sind ebenso wirkungsvoll und ein deutliches Signal für die Akzeptanz und
Gleichberechtigung von vielfältigen Lebensweisen und Identitäten. Interviews mit
Medienschaffenden können diese Signale begleiten und dazu beitragen, dass sie
über die Grenzen der jeweiligen Städte hinaus sichtbar werden. Darüberhinaus
sollen sich Bremen und Bremerhaven in verschiedenen Netzwerken (wie z.B.
Eurocities, wo auch Budapest und Warschau vertreten sind) für die Akzeptanz und
Gleichberechtigung von LGBTIAQ* Personen einsetzen.
Europa ist queer. Europa ist bunt. Europa ist mitreißend. Europa ist ein Ort wo
jeder Mensch gleichberechtigt und unabhänig von Geschlecht, Sexualität,
Hautfarbe, Alter, Aussehen, Herkunft, Behinderung, Lebensform oder Religion frei
und sicher leben können soll. Dafür stehen wir Grüne!
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